Streitbare Niederbayern

Durchaus streitbar: Hubert Stahl.

Wenn’s in die Playoffs geht, werden wieder 5 000 fröhlich „Hey, Niederbayern! Olè, Olè, Niederbayern!“ singen, denn Niederbayern: Das sind wir. Zum Beispiel Hubert Stahl, Chef einer Maschinenbau-Firma in Perkam: Seit 20 Jahren investiert Stahl als Gesellschafter der Straubing Tigers viel Geld in den Club. Stahl ist Anfang 60, und wenn es pressiert, kann er auf dich losgehen wie der Stier auf das rote Tuch, direkt aus dem Stand heraus. Glauben Sie mir, das ist mir auch schon passiert.

Und da ist Johannes Spielbauer, in etwa halb so alt, Stadtrat der Linken und studierter Jurist, und außerdem einer, der im Stadtrat immer wieder gegen Stadt und Tigers schießt: Zu wenig Miete fürs Stadion, zu viel Invest von der Stadt in das Stadion, und dass die Tigers von der Stadt das Recht zur Vermarktung des Stadionnamens bekommen haben, findet er ganz, ganz schlecht. Ein Unternehmer und ein Linker in Niederbayern: Was passiert, wenn die zwei aufeinandertreffen?

Das Plakat am Wahlkampfstand: Johannes Spielbauer

Es war nämlich so: Am Samstag vor der Wahl ist Hubert Stahl unterwegs zur Eiszauber-Eröffnung auf dem Theresienplatz. „Saublöderweis‘“, sagt Hubert Stahl, „ist mir da der Spielbauer übern Weg gelaufen, am Stand der Linken.“ Unternehmer und Linke: eh eher schwierig, die gegenseitige Liebe ist klein. Da hat er nicht anders können als an den Johannes Spielbauer heranzutreten.

Diese Situation kenne ich. Vor Jahren hab ich selber erleben dürfen müssen, wie es ist, wenn dich der Stahl Hubert plötzlich aufs Korn nimmt:  Ein Niederbayer wie im Klischee, direkt, umstandslos, hammerhart deutlich. Wenn du da nicht Obacht gibst, kann die Wucht dieser Direktheit dich überfahren. Aber man kann das auch so sehen: Der Mann ist gradaus. Der tut da ned lang umeinander. Der sagt, was er denkt. Idealtypisch Niederbayern.

Der DEL hat er auch schon die Meinung gegeigt, aber schriftlich. Wenn dieser Mann die Tigers ungerecht behandelt sieht, kann es lustig werden. „Erst hab ich gefragt, ob er mich kennt“, sagt der Hubert Stahl, „dann hab ich mich vorgestellt: Stahl Hubert, Unternehmer, Tigers-Gesellschafter. Dann hab ich ihn gefragt, was der Scheiß soll! Dass er im Stadtrat immer gegen die Tigers ist! Und dass wir viel mehr Miete zahlen müssten! Und dass er sagt, dass das Stadion-Namensrecht Millionen wert ist! Und dass das die Stadt kriegen muss!“

“Du Ahnungsloser!” hat er gesagt

Ein Streit ist entstanden. „‘Du Ahnungsloser!‘ hab ich gesagt“, sagt Hubert Stahl, „is‘ dir des schon bewusst, was die Tigers der Stadt an Wirtschaftskraft bringen? Gastronomie? Hotels? Einkommensteuer?“

Niederbayern hin oder her: Wer mag es schon gern, wenn er am Stadtplatz vor allen Leuten „ Du Ahnungsloser“ genannt wird? Vor allem, wenn man selbst bei der Linken und der andere ein Unternehmer ist. Es ist laut geworden. Der Johannes Spielbauer ist ja auch Niederbayer und man kann sich gut vorstellen, dass er stur werden kann, vor allem, wenn plötzlich der Klassenfeind vor dir steht und dich anschießt. Da beharrt man dann gern auf dem als richtig Erkannten, auch wenn das als richtig Erkannte vielleicht ein Schmarrn ist.

Wenn Spielbauer sagt, dass die Stadt die Tigers so gar nicht unterstützen dürfte, glaubt er das wirklich. Da würde auch kein Verweis darauf helfen, dass anderswo Städte ganz anders finanziell einsteigen; am Zweitliga-Standort Landshut zum Beispiel ist das Stadion für 23,3 Millionen Euro umgebaut worden, unvorstellbar in Straubing. Das sind Zahlen, die einer wie Stahl natürlich weiß, Spielbauer aber wohl eher nicht. Und dann wird eben gestritten.

Ich mag das: Einer wie der Stahl, der gewohnt ist, dass das geschieht, was er will; der über 20 lange Jahre was-weiß-ich-wieviel-Geld in die Tigers investiert und damit zum Aufstieg zu einem Top-Club beigetragen hat und der gar nicht verstehen kann, wie man die Bedeutung eines solchen Clubs für eine 50 000-Einwohner-Stadt nicht verstehen kann. Und der dann genau das sagt, was er sagen will.

Und ein junger Jurist, Anfang 30, der das Wohl der Menschheit im Blick hat und auch die städtischen Finanzen, und als Jurist auch noch die ganzen Paragraphen zu Pflichtaufgaben der Stadt; und der deshalb ganz genau weiß, dass ein Eisstadion gar keine Pflichtaufgabe einer Kommune ist. Und dem es deshalb völlig unmöglich ist, zu verstehen, dass man Paragraphen manchmal auch interpretieren kann. Weil ein Eishockeyclub in der Provinz trotzdem viel mit dem Wohl der Menschheit zu tun haben kann. Zumindest bei dem Teil der Menschheit, der in dieser Provinz wohnt.

Cool wäre, wenn der Stahl Hubert den Spielbauer Johannes in ein Playoff-Spiel einladen tät. Aber der würd’ vermutlich nicht annehmen, wegen Compliance und Käuflichkeit, oder so. Ewig schad eigentlich. Playoffs sind super.

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Im Gespräch mit Johannes Spielbauer

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Weg mit den Kugelrobinien!