Joe Kaeser beim CSU-Neujahrsempfang
Der Mann zieht an: Volles Foyer bei Joe Kaeser. Foto: Engel
Keine Ahnung, wie viele der 500 Gäste beim CSU-Neujahrsempfang irgendwann gedacht haben, dass dieser Mann vielleicht ein sehr guter Wirtschaftsminister wäre: Joe Kaeser, 67, acht Jahre lang Siemens-Vorstand, Chef von 300 000 Mitarbeitern in 190 Ländern. Der Aktienkurs hat sich in seiner Zeit verdoppelt, Siemens ist heute der wohl bestaufgestellte deutsche Konzern. Seit 2021 ist Kaeser Aufsichtsratschef mehrerer höchst erfolgreicher Siemenstöchter, aufs Geldverdienen sind solche Leute weiß Gott nicht mehr angewiesen. Beim Neujahrsempfang hat Kaeser eine klare Analyse der wirtschaftlichen Lage Deutschlands gemacht, gipfelnd im Satz: „Ich liebe dieses Land, aber es ist ein Sanierungsfall.“
Warum, konnte man da denken, fragt man nicht solche Leute, ob sie den Sanierungsfall nicht übernehmen wollen? Der Mann ist nur ein Jahr älter als Scholz, er ist jünger als Merz, Trump, Putin, Xi Jinping., die er alle persönlich kennt, genau wie die weltweiten Märkte auf vielen Gebieten. Warum eigentlich holt man nicht das Knowhow solcher Leute statt auf mehr oder weniger verdiente Parteipolitiker zu setzen?
Überzeugende Rede. Foto: Engel
Unter den vielen Problemlagen, die Kaeser anspricht – Überbürokratisierung, konzeptfreie Migrationsdebatte, Klimawandel, zerbröselnde Infrastruktur – sind zwei Punkte, die mir als Kernpunkte erscheinen:
Es fehlt zum einen ein Langfristplan für eine ökonomisch darstellbare Energiewende und überhaupt eine langfristige Planung. Wichtiger als niedrige Energiekosten, sagt Kaeser zum Beispiel, sind langfristig planbare Energiekosten: „Auf höhere Kosten“, sagt Kaeser, „kann ein Unternehmen sich eher einstellen als auf unterschiedliche Kosten.“
Das andere ist die Sozialpolitik: Der Staat muss Leistungsbereitschaft fördern statt sozialer Wohltaten, fordert Kaeser und nennt ein Beispiel: Wenn der Arbeitsminister in Indien um qualifizierte Arbeitskräfte wirbt mit dem Argument, dass es in Deutschland soziale Leistungen gibt wie 30 Urlaubstage, Krankenversicherung, Rente, dann imponiert das in Indien niemandem richtig. „Inder haben Optionen. Sie wollen Ziele hören, was man erreichen will, in der Forschung und Produktion.“
Kaeser ist ein Mann, dessen Karriere nachweist, dass er weiß, wovon er spricht. „Sanierung tut erst einmal weh“, sagt Kaeser, „das war auch bei Siemens so.“ Robert Habeck nennt er den „sympathischsten Wirtschaftsminister in der Geschichte, aber auch den schlechtesten.“
Vielleicht sollte man wirklich Leute mit Kaesers Erfahrung anfragen. Wer sich so eindeutig äußert, mit so viel Erfahrung im Hintergrund, hätte vielleicht sogar Interesse, und jung genug wäre er noch. Dumm ist da nur, dass Kaeser noch etwas sagt: “Ein Sanierungszyklus dauert länger als eine Wahlperiode“, nämlich bis zu zehn Jahre.