Irrenhaus

Hörte und erzählte irrsinnige Geschichten: Bayerns Entbürokratisierer MdL Walter Nussel Foto: Engel

Irgendwann denkst du nur noch: Dieses Land muss verloren sein, denn seine Gesetzgeber und Beamten sind alle verrückt geworden. MdB Alois Rainer hat zusammen mit dem bayerischen Bürokratiebeauftragten Walter Nussel in die Sennebogen-Akademie geladen, rund 70 Wirtschaftsvertreter sind gekommen, aus Handwerk und Industrie. Sie erzählen unglaubliche Geschichten, alle selbst erlebt:

Ein wasserrechtlicher Antrag, 2008 eingereicht und 2022 beschieden. Ein Regenrückhaltebecken, für das Brandschutz verlangt wird. Ein Waldweg, für den ein Bodengutachten her muss, weil Erde von der linken Wegseite auf die rechte geschaufelt wird. Eine Nachhaltigkeitsprüfung, die vom Unternehmen verlangt, erst einen Fragenkatalog auszufüllen, mit 1176 Fragen . Alles dauert. Alles kostet. Alles braucht zusätzlich Zeit. Und alles zusanmen führt dazu, dass das Vertrauen in den Staat ganz einfach sinkt.

Woher kommt dieser Irrsinn?

Punkt eins: Der Staat hat einfach zu viele Leute, die Unsinn verlangen. Warum sonst wird ein Staat so übergriffig, dass er ohne Not eine für Betriebe ab 50 Beschäftigten geltende EU-Verordnung wie die DSGVO schon ab zehn Beschäftigten vorschreibt? Walter Sennebogen sagt: „Von acht Statistiken, die die verschiedenen Ministerien von uns verlangen, fragen fünf nach denselben Daten.“ Er fordert: „Weniger Personal beim Staat. Und so wie der Staat von uns Gebühren verlangt, soll er selbst Gebühren für Daten zahlen. Dann wird das besser.“

Punkt zwei sind private Geschäftemacher: Planer, die Auflagen in Bauplanungen schreiben, die der Gesetzgeber gar nicht verlangt. Firmen, die über Lobbyarbeit versuchen, unsinnige Neuentwicklungen Gesetz werden zu lassen wie einen explosionssicheren Fettabscheider, der so nötig ist wie ein explosionssicheres Taschentuch. Oder Brandschutzexperten, die ohne gesetzliche Grundlage beschließen, dass Feuerlöscher schon alle zwei Jahre geprüft werden müssen statt alle fünf Jahre.

Punkt drei sind weltfremde Bürokraten auch in der Privatwirtschaft: Versicherungen, die über Druck auf die Berufsgenossenschaft erreichen, dass alle Malerbetriebe neue, teure Leitern brauchen, um einer Unfallgefahr vorzubeugen, die im Berufsumfeld gar nicht passieren, sondern nur in Privathaushalten. Und immer verdient irgendwer dran.

Und viertens: Verbraucherschützer und Verbände, die als Nachweis ihrer Existenzberechtigung ständig Maximalforderungen erheben und in inoffiziellen Gesprächen zu den Politikern sagen: „Manchmal sind wir selber erstaunt, was wir alles durchbekommen.“ So hat es Walter Nussel erlebt. Aber der Politik und den Verwaltungen fehlt oft der Mut, Nein zu sagen. Es könnte ja jemand klagen und auch noch Recht bekommen. Das ist das Irrenhaus, in dem wir leben.

Was ist die Folge? Immer mehr Unternehmer hören auf, sobald es geht., und die nächste Generation sagt zur Betriebsübergabe nicht mehr „Ja, bitte!“, sondern „Nein, Danke.“ Und es geht so weit, dass immer öfter offen ausgesprochen wird, was auch der Unternehmer Martin Tanne berichtet: „Ein Kollege hat kürzlich gesagt: ‚Ich hab so die Schnauze voll, ich wähl jetzt AfD. Weil es muss sich was ändern‘.“

Ist es wahrscheinlich, dass es dann besser wird? Lassen Sie es mich so sagen: Wie wahrscheinlich rettet ein Strohhalm einen Ertrinkenden? Aber trotzdem greift er danach. “Jetzt ist ein Punkt erreicht”, sagt Alois Rainer, “eine neue Regierung muss liefern.” Ja, das muss sie. Aber wird sie?

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Interview Alois Rainer: „Wir sind verdonnert, zu liefern“

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Tom Pokel