Interview Alois Rainer: „Wir sind verdonnert, zu liefern“

MdB Alois Rainer, CSU. Foto: Engel

Nach dem Abend zum bürokratischen Irrsinn in diesem Land (Bericht weiter unten) hat MdB Alois Rainer, CSU, mit engel-sr.de über Problem und Lösungschancen gesprochen:

Herr Rainer, war da für Sie Neues dabei? 

Alois Rainer: Unglaublich viel Neues. Brandschutz für ein Regenrückhaltebecken, den Fall hab ich schon gewusst. Aber dass man Brandschutz für einen Betonhochbehälter auch noch braucht, oder die über 1100 Fragen, die man bei der CRDS-Richtlinie zur Nachhaltigkeit braucht, das sind schon Dinge, die schon sehr weit gehen. Oder die ganzen Beauftragten, die die Firma vor Ort haben muss. Es belastet uns. 

Was mich am meisten erschüttert hat: Dass Firmen sagen, aus solchen Gründen finde ich keinen Nachfolger mehr. Das wird uns viel kosten. Und keiner hat etwas dagegen getan.

Rainer: Das ist richtig. Das hat sich seit Jahren so entwickelt. Jeder hat’s ein bisserl angesprochen, ‚überbordende Bürokratie‘, aber so richtig angepackt hat man es nie. 

Vor 18 Jahren ist Edmund Stoiber als Entbürokratisierungsbeauftragter nach Brüssel. Man hat also damals schon gesehen, das ist notwendig. Und es ist nichts passiert. Warum soll man jetzt glauben, dass jetzt etwas passiert?

Rainer: Ich bin der festen Überzeugung, dass man jetzt so weit ist, dass etwas passiert. Ja, vor 18 oder 20 Jahren hat man gewusst, ja, da entwickelt sich was, das nicht gut ist. Aber es hat keiner klar gesagt: Es geht nicht mehr so weiter, Firmen wandern ab wegen der Bürokratie, Firmen werden nicht übernommen wegen der überbordenden Bürokratie. Bürokratie kostet Geld und nimmt auch die Freude an der Arbeit. Das war vor 20 Jahren noch nicht so. Das hat sich entwickelt wie der Schneeball zur Lawine, und wenn wir nicht überrollt werden wollen, müssen wir jetzt was machen.

“Die Verantwortlichen müssen jetzt Mut haben”

Es ist ein unglaublich verfestigter Filz, den man durchschlagen muss: Bürokratie in den Ministerien mit viel zu viel Personal, das sich mit diesem Unsinn beschäftigt; Lobbyisten aus der Industrie, die völlig unnötige Produkte zur Vorschrift machen wollen wie einen explosionssicheren Fettabscheider. Das sind ja alles sehr starke Kräfte, die Interesse haben an Bürokratie, weil sie Geld damit verdienen. Wie geht man gegen eine Hydra mit zehntausenden Köpfen vor?

Rainer: Das stimmt, es kommt aus allen Bereichen. Die politisch Verantwortlichen müssen den Mut haben, da dranzugehen, und sie brauchen Rückendeckung aus den Parlamenten.

Weil Sie sagen „Mut“: Wer hat denn den Mut? Weil in dem Moment, wo ich eine Vorschrift abschaffe, ob im Umweltbereich oder Verbraucherschutz oder Nachbarschaftsrecht, kommt ein Verband oder Hausbesitzer oder Nachbar und klagt. Wo soll der Politiker da den Mut hernehmen, wenn er nicht eigentlich zuerst die Gesetze entsprechend ändert, dass solche Klagen gar nicht möglich sind, was er aber vielleicht gar nicht kann, weil man dann Einschränkung der Freiheit sagt?

Rainer: Ja, genau. In manchen Dingen wird das die Quadratur des Kreises. Aber trotzdem muss man es versuchen, und auch Gesetze im Vorfeld ändern. Aber wenn die Gerichte dann anders urteilen, hängen wir wieder in der Luft. Nichtsdestotrotz gibt es viele, viele Dinge, die kein Mensch in dieser Form braucht.

Ich bin nicht ganz so optimistisch, ob man das erreichen kann. Deshalb die letzte Frage: Was glauben Sie: Wann ist eine Umsetzung da, bis wann werden Unternehmer eine Entlastung spüren?

Rainer: Grad bei den Brandschutzvorschriften kann es durchaus sein, dass man es schon Ende dieses Jahres oder Anfang nächsten Jahres spürt. Das sind ja zum Teil nationale Vorgaben. Kleinere Vorgaben sollte man schon bis zum Jahreswechsel spüren, größere vielleicht ein Jahr später. Aber der Punkt ist: Wir haben das jetzt auch im Wahlprogramm so prominent gesetzt, dass wir verdonnert sind, zu liefern. Und wir müssen auch liefern, und in dem Bereich, wo die Bürger es spüren.

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