Ecken ohne Kanten

Nicht geliefert wie ausgeschrieben: Fehlende Eckstücke. Foto: Engel

Die Welt ist ein verwirrender Ort, ist es nicht so? Nehmen wir den Stadionanbau am Pulverturm: Wie kommt‘s eigentlich, dass ein Anbau, der noch 2021 mit gut fünf Millionen Euro netto, Baubeginn 2022 und Fertigstellung 2023 veranschlagt war, im Jahr 2024 mit insgesamt 10,35 Millionen Euro und Fertigstellung im September 2025 veranschlagt ist?

Nicht leicht zu sagen, wie grad der Sachstand ist. Er ändert sich einfach zu oft. Als Bürger einer Hockeystadt will man das gerne verstehen. Da hat sich gut getroffen, dass für den gestrigen Donnerstag eine große Präsentation dieses Baus durch die Stadt geplant war. Nur: Am Abend zuvor wird sie abgesagt. Grund: Der Fördergeld-Besorger, MdB Alois Rainer, muss in Berlin bleiben, Tigers-Vertreter haben auch nicht recht Zeit. Es ist verwirrend.

Verwirrung ist die Konstante in diesem Projekt. Es gibt ein Interview des Fachmagazins „Stadionwelt“ mit dem renommierten Architekten Claas Schulitz aus Braunschweig. Das Magazin fragt: „In der frühen Planungsphase rechnete die Stadt Straubing mit Gesamtkosten in Höhe von rund 5 Mio. Euro. Inwieweit konnte dieser Kostenrahmen im Verlauf des Projekts eingehalten werden?“ Und der Architekt sagt: „Aktuell können wir das Budget noch halten, sodass über die Abbrucharbeiten, die Ertüchtigung der Bodenverhältnisse bis hin zum Rohbau keine nennenswerten Kostensteigerungen zu verzeichnen sind.“

Beinah wär’s ungut geworden

Aber schon im März 2022 spricht dasselbe Magazin von 7,8 Millionen. Im November 2022 nennt die Stadt in der Presse 8,7 Millionen und sieht sich „voll im Kosten- und Zeitplan“. Genau ein Jahr später lesen wir dann: „Letzte Geld-Reserven für Eisstadion-Umbau mobilisiert“, weil es jetzt 10,35 Millionen kostet. Das ist nicht leicht zu verstehen. Also von vorn:

Die Förderzusage von 2,7 Millionen kommt im Jahr 2019. Bedingung: 2023 muss der Bau fertig sein. Im April 2021 beschließt der Stadtrat den Bau, der Architekt plant. Im Sommer 2022 ist Baubeginn. Es stellt sich heraus: 2023 als Fertigstellungstermin ist nicht zu halten. Zum Glück erreicht Alois Rainer in Berlin, dass die Förderung weiterläuft.

Warum es so lange dauert

Neuer Endtermin ist zunächst Anfang 2024. Dann Herbst 2024. Dann Anfang 2025. Aktuell ist es Herbst 2025. Das soll nun klappen, es fehlt nicht mehr viel. Nur am Bau fehlen an allen Ecken die Kanten, und in der Fassade fehlen noch Kacheln. Kacheln und Kanten kommen aus der Türkei, nur leider nicht passgenau. Man muss auf neue warten. Aber die Ausschreibung hat ergeben: Es war das günstigste Angebot. Dazu fehlen noch Leitungen, Sonnenschutz, das Dach über der Plaza, ein paar andere Kleinigkeiten. Das dauert.

Problem auf einen Blick: Teure Fenster, fehlendes Eckstück, fehlende Kacheln. Foto: Engel

Drei bis vier Monate gehen verloren, weil nicht gleich nach Saisonende mit den Bauarbeiten begonnen wird. Vier Monate werden verloren, weil die Stadt an den Gründungsarbeiten im Boden zweifelt und die Arbeit einstellt. Weiter geht’s erst, als sich das herausstellt, was die ausführende Firma von Anfang an sagt: Die Gründung passt.

Zeit geht auch verloren, weil die Stadt immer wieder neu ausschreibt: Statt Fenstern mit Pulverbeschichtung müssen es plötzlich eloxierte Fenster sein. Die sind zwar teurer, bedeuten Zeitverlust und haben auch sonst keinen Vorteil. Aber irgendwem gefallen sie besser. Kein kostenbewusster Privatmann würde so bauen, wenn die Kosten eh explodieren. Neu ausgeschrieben werden muss auch, weil ein Leistungspaket zu groß geschnürt ist: Kleinere Firmen können das geforderte Leistungsspektrum nicht bieten. Also aufteilen, neu ausschreiben, Zeitverlust.

Bald kommt der Blick ins Innere

Es ist eine Mischung aus Vielem, warum Zeit und Kosten im öffentlichen Bau steigen: Fehlendes Kostenbewusstsein beim Umgang mit öffentlichen Geldern. Ausschreibungsvorschriften, die zum billigsten Angebot zwingen ohne zu prüfen, ob der Anbieter die Qualität wirklich bringen kann. Übertriebenes behördliches Sicherheitsdenken, das unnötige Baustopps erzwingt.

Aus all dem folgen Abstimmungsprobleme im Zeitplan der ausführenden Firmen. Der immense Anstieg von Kosten und Bauzeit bei öffentlichen Projekten ist damit zum großen Teil ein strukturelles Problem. Es ist kein speziell Straubinger Problem. Das System insgesamt ist zu formal und zu kompliziert geworden. Das Wort dafür ist: Bürokratie.

Aber jetzt geht’s zum Glück in den Endspurt. Bald kommt das Plaza-Dach, und der abgesagte Präsentationstermin wird nachgeholt, sagt die Stadt, „in einer der nächsten Bauausschuss-Sitzungen“. Dann gibt‘s einen ersten Blick in die Kabinen.

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