Wie viele Zeichen?

Bürokratisch betrachtet ein Verstoß: 28 Zeichen sind zehn Prozent über der Richtlinie. Foto: Engel

Wenden wir uns den drängenden Fragen unserer Zeit zu: Der „Richtlinie zur Benennung von Straßen und Plätzen in der Stadt Straubing“, von der uns heute das Tagblatt berichtet. Eine der zahlreichen und sicherlich wichtigen Aufgaben dieser Richtlinie besteht in der Sicherstellung der Verhinderung von Überlängen in Straßennamen, so würde ein guter Bürokrat das wohl formulieren, vermute ich.

Überlängen von Straßenamen sind, wie ein jeder sich denken kann, eines der größten Übel unserer Zeit. Man muss es bekämpfen. Aus diesem Grunde haben Bürokraten Hirnschmalz geopfert und damit unmöglich gemacht, eine Straße in Straubing nach Hans-Jürgen Wischnewski (SPD-Politiker, 1922 – 2005) zu benennen.

Emanuel-Schikaneder-Straße? Geht eigentlich gar nicht

Wie das Tagblatt berichtet, legt diese Richtlinie fest, dass ein Straßenname in Straubing allerhöchstens „25 Zeichen einschließlich der notwendigen Zwischenräume“ haben darf. Ein „Hans-Jürgen-Wischnewski-Weg“ hätte aber 27, ein „-Ring“ sogar 28, und eine „-Straße“ sogar furchtbare 30. Ein jeder wird einsehen: Es geht wirklich nicht.

Ist Ihnen in Straubing eigentlich die Emanuel-Schikaneder-Straße bekannt? 26 Zeichen. Zählen Sie’s nach. Ein klarer Richtlinienverstoß. Oder die Wolfram-v.-Eschenbach-Straße: 28 Zeichen, so viel wie ein Hans-Jürgen-Wischnewski-Ring. Oder die Franziska-v.-Wettstein-Straße: Da lohnt sich Nachzählen richtig.

Der Ehrlichkeit halber müssen wir zugestehen, dass diese Straßennamen vor Inkrafttreten der neuen „Richtlinie zur Benennung von Straßen und Plätzen in der Stadt Straubing“ im Jahr 2021 vergeben wurden. Man darf aber vermuten, dass diese Richtlinie nicht im Kampf für Bürokratieabbau entstanden ist.

Kliems unfassbarer Einsatz

Ob in Straubing grundsätzlich eine Wischnewski-Straße viel Sinn hat, soll dabei nicht die Frage sein. Wenn unser SPD-Wahlkampf-Frühstarter Marvin Kliem seinen Parteifreund Wischnewski eine „für Straubing so zentrale Persönlichkeit“ nennt, dann wird es schon Sinn haben. Der Mann hat schließlich drei Jahre in Straubing gelebt. Bei Spitzweg haben ja schon ein paar Monate für einen Straßennamen gereicht.

Außerdem war Wischnewski ein „unfassbar starker Internationalist“, sagt Marvin Kliem, und das ist sicher ein guter Grund heutzutage für eine Straße. Er wird nur leider ein bisschen dadurch entwertet, dass für Marvin Kliem eigentlich alles „unfassbar“ ist.

Zum Beispiel führt Kliem „unfassbar viele tolle Gespräche“, erhält dabei „unfassbar tolle Unterstützung“, weshalb zum Beispiel das Jahr 2022 ein für ihn „unfassbar grandioses Jahr“ war. Und manchmal, wir ahnen es, liegt ein „unfassbar emotionaler und extrem wichtiger Tag“ hinter ihm.

50 Zeichen: Dingolfings unfassbarer Rekord

Und jetzt wird es unfassbar unfassbar: Der längste Straßenname Deutschlands kommt aus Dingolfing! Er umfasst 50 Zeichen und heißt „Bischöflich-Geistlicher-Rat-Josef-Zinnbauer-Straße“! Und die Welt geht nicht unter! Und Post und Anwohner auch nicht! Ja, es ist unfassbar.

Und weil „Bischöflich-Geistlicher-Rat-Josef-Zinnbauer-Straße“ aber wirklich sehr lang ist, kürzen sie in Dingolfing einfach ab: „BGR-Josef-Zinnbauer-Straße“ - Nur noch 26 Zeichen. In Dingolfing geht das.

In Straubing natürlich nicht. Da ist die Obergrenze halt 25. Das ist nicht verhandelbar. Im Internet machen manche Menschen deshalb Vorschläge wie: „H.-J.-Wischnewski-Weg... mit den Sonderzeichen kommt man hier auf 20“, oder: „Hans-J.-Wischnewski-Weg mit Leerzeichen nur 24“.

Aber die wirklich spannende Frage ist doch: Falls ein Wischnewski-Weg möglich wird und eine Straße neu benannt werden kann: Wofür wird Marvin Kliem dann im Ernstfall plädieren? Straubing hat nämlich ein großes Defizit in Sachen Frauen-Straßennamen, und als junger Sozialdemokrat ist man ja auch dem Kampf gegen das Gender-Gap verpflichtet. Also alter weißer Mann oder Frau? Droht da eine Kampfabstimmung? Und wie wird Marvin Kliem stimmen? Ja, unsere Zeit stellt unfassbar drängende Fragen.

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Verlust für Straubing: Was die Stadt sagt