"Don’t Shoot Me, I’m Only The Piano Player”

Es ist schlimm, wie den Kommunen die Kosten davonlaufen. Das sagen alle, vor allem die Kommunen selber. Weil das so ist, bringen die Medien regelmäßig Berichte, wie den Kommunen die Kosten davonlaufen, und wie zum Beispiel Straubing keinen vernünftigen Haushalt mehr hinbekommt, weil der Stadt das Wasser bis zur Uhrhöhe Stadtturm steht und überhaupt alles so schwierig wird. Was kann man da tun? Sparen vielleicht?

Nein, schluchzen die Kommunen verzweifelt, Sparen geht gar nicht, wir geben ja eh nur noch das Nötigste aus. Ja? Ist das so? Geben Kommunen nur noch das Nötigste aus?

Gehört ein neuer Flügel für 200 000 Euro im neuen Rathaussaal zum Nötigsten? Aber ja, sicher, werden Sie sagen, immerhin klingt dieser Flügel so schön, und es ist Kultur, das muss es uns wert sein. Der Kulturausschuss sieht das zum Glück genauso und hat diesen Steinway genehmigt. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass auf der Website von Klavier Kreisel Nürnberg Folgendes steht: “Klaviere von Steinway? Der günstigste Flügel ist der kleine Stutzflügel S-155 mit einem Neupreis von rund 90.000 Euro, den höchsten Preis besitzt mit 185.000 Euro der Konzertflügel D-274.”

Andere Spitzenflügel findet man schon für deutlich unter 50 000 Euro, und gebraucht kommt natürlich gar nicht in Frage. Für mich klingt das so, als hätte sich Straubing wirklich einen 200 000-Euro-Flügel der Extraklasse geschnappt.  “Roll over Beethoven”, ruft man da freudig, “tell Tchaikovsky the news!” Oder Lang Lang. Weil Tschaikowsky ja gar nicht mehr auftritt. Und wie klingt nun das hier für Sie? Die neue Treppe am Bahnhof:

Im Dezember wird sie hoffentlich fertig. An jeder Stufe wird dann ein grauer Streifen sein, eine Sichthilfe. Sie werden ganz genau hinschauen müssen, wenn Sie ihn sehen wollen, weil der Streifen fast unsichtbar ist. 11 000 Euro soll er gekostet haben. 11 000 Euro für eine Sichthilfe, die nahezu unsichtbar ist. Jahrhundertelang sind Menschen ohne fast unsichtbare Sehhilfen durch die Welt gestiefelt, auf Spanische Treppen in Rom und auf Kalvarienbergen Unterm Rain. Aber jetzt gibt es Vorschriften, es gibt eine DIN-Norm dafür, eine große bürokratische Leistung. Aber gleich für 11 000 Euro? Das ginge günstiger.

Andererseits: Sind 11 000 Euro nicht Peanuts? Nehmen wir deshalb den Funktionsbau am Eisstadion: Den bauen Stadt und Tiger gemeinsam, drum müssen die Fenster im Stadt- und im Tigerteil gleich sein. Man hat gemeinsam bestellt, und es war gut. Dann hat die Stadt entdeckt, dass es noch besser geht, und sie hat neu bestellt. Aus Gründen der Einheitlichkeit haben die Tiger mitmachen müssen. Mehrkosten allein für die Tiger: Sechsstellig. Mehrkosten für die Stadt: Noch deutlich mehr, weil der städtische Bauteil deutlich mehr Fenster hat, und wir verstehen: Das Bessere ist der Feind des Guten.

Ein paar 100 000 Euro mehr oder weniger, das sind doch auch Peanuts. Kein Grund, beim Guten zu bleiben, wenn es für ein paar hunderttausend Euro mehr Besseres gibt. Die öffentliche Hand baut halt einfach gern so, als ob sie’s unbegrenzt hätte. Und so läppert sich Euro auf Euro. Zum Beispiel der Wiederaufbau nach dem Rathausbrand 2016:

Im Herbst 2018 war die Schätzung 42,8 Millionen Euro. Da hat ganz Straubing gestaunt.

Im Herbst 2019 war die Schätzung 46,5 Millionen Euro. Da hat Straubing schon wieder gestaunt.

Im Herbst 2023 war die Schätzung 58,5 Millionen Euro. Seitdem soll der Kämmerer Angstschweißanfälle und Alpträume haben.

Wann Straubings Rathaus endlich benutzbar ist, ist unklar. 2025 vielleicht? Oder 2026? Man weiß es nicht. Man muss ja Historisches sorgfältig offenlegen und dann überbauen. Das bringt zwar niemandem irgendwas, außer dem, der dafür die Rechnung stellt, aber das ist halt Denkmalschutz. Zeit geht dafür natürlich reichlich drauf, und Zeit, sagt der Volksmund, ist Geld. Die Schlussrechnung steht deshalb noch in den Sternen: 60 Millionen? 70 Millionen? Oder geht’s auf die 80 zu?

In Dillingen hat das historische Rathaus nach Straubing gebrannt. Aber schon seit gut zwei Jahren ist es wieder aufgebaut.  Natürlich sind auch in Dillingen die Kosten gestiegen, von 10 Millionen Euro auf 11. Das ist in einem vernünftigen Rahmen.

Natürlich überfordert der Staat die Kommunen mit immer neuen Aufgaben und mit Bürokratie. Natürlich verlangt er mehr, als eine Kommune leisten kann. Aber darf eine Stadt nicht trotzdem auch selbst überlegen, ob sie für einen simplen Funktionsbau die teuersten Fenster braucht? Ob sie es mit einem in den letzten 150 Jahren mehrfach kaputtsanierten Rathaus wirklich übertreiben muss? Ob sie wirklich eine Landesgartenschau-Planung machen muss, die sie gleich nach der Vorstellung wieder aufgibt?

Vermutlich gibt’s keinen Posten, bei dem die Stadt auf einen Schlag Millionen einsparen könnte. Aber Kleinvieh macht auch Mist, und ich behaupte: Kleinvieh gibt’s viel in dieser Stadt. Kennen Sie übrigens dieses Album von Elton John aus dem Jahr 1973? “Don’t Shoot Me, I’m Only The Piano Player” heißt es, “Daniel” ist drauf und “Crocodile Rock”. Und Elton Johns Lieblingsflügel ist ein Yamaha Disklavier Grand Piano, Kaufpreis unter 50 000 Euro. Mehr mag der Mann sich halt einfach nicht leisten.

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Schule machen?