Das Spengler Cup-Drama
Vermutlich Rekord: Bis zu 1 500 Tiger in Davos. Foto: privat
Jetzt sind also auch die Szene-Ultras auf Distanz gegangen, und zwar zur Tigers-Führung, mit einem Spruchband im Stadion und einem Statement im Internet, weil sie Wertschätzung vermissen. Weil die Tigers-Führung auf Distanz gegangen ist zu einem Tagblatt-Artikel, weil der beim Spengler Cup Organisationskompetenz vermisst, zum Nachteil der Tigers-Fans. Das ist verwirrend. Da möchte ich - aus sicherer Distanz – gern meinen Senf dazugeben.
Es war doch alles so schön, direkt nach dem Spengler Cup: Aus Zürich, aus Biel, aus Ambri-Piotta, aus der ganzen Schweiz hat alles im Internet begeistert „Hopp, Straubing!“ gerufen, „ihr seid unser neues DEL-Lieblingsteam!“ Und Straubinger Fans haben „tolle, unvergessliche Tage in Davos“ erlebt und im Schweizer Fernsehen geschwärmt vom Top-Turnier in der Schweiz.
„Großen Respekt an den Veranstalter, ein rundherum gelungenes Turnier, ich als Straubing Tigers-Fan habe jede Minute genossen“, schreibt zum Beispiel ein Straubinger, „Ihr habt viele Fans in der Schweiz dazu gewonnen! Gratulation zum erfolgreichen Turnier in Davos!“, schreibt ein Schweizer, und ein anderer: „Dass wir gemeinsam das Ambiente genießen konnten, zeigt einmal mehr wie Hockey Menschen verbindet.“ Dann erscheint ein Artikel. Und schon ist die schöne Hockey-Verbindung der Menschen gestört.
Fans auf dem Weg. Foto: privat
„Typisch Deutsche - Hauptsache Meckern“, schreibt ein Schweizer zu dem Tagblatt-Artikel. „Das hat nix mit Jammern zu tun. Der Bericht ist tatsächlich noch harmlos geschrieben“, schreibt ein Straubinger. „Wir müssen euch ja nicht einladen“, ein Schweizer, „na hoffentlich“, ein Straubinger. Das ist ein Wechsel im Ton. Was ist der Grund?
Direkte Kritik ist Gesichtsverlust
Es gibt einen Unterschied zwischen deutscher und Schweizer Kultur. Direkte Kritik kommt in der Schweiz einem Gesichtsverlust gleich, und dieser Artikel hat kaum ein gutes Haar an der Turnier-Organisation der Gastgeber gelassen. Kritisiert wurde sogar, dass kein eigener Block für die Tigers-Fans da war. Nun wissen wir aber - oder eben auch nicht -, wie der Spengler Cup entstanden ist: Als Reaktion auf den ersten Weltkrieg, Völkerverständigung, Miteinander, Überwindung von Blöcken. Deshalb gab es bisher keine Blockbildung beim Spengler Cup. So etwas könnte man einfach respektieren.
Man kann aber auch dem Gastgeber hinterher öffentlich erklären, wie falsch seine Sitzordnung ist und besser wissen, wie’s geht. Man könnte es machen wie einige Straubinger, die sich talwärts ein Taxi geteilt haben, weil die Taxikosten bei einer Davos-Reise auch schon wurscht sind. Oder man kritisiert wie die Zeitung, dass der Organisator zu wenig Sonderzüge bestellt hat. Die Frage ist nur: Ist das gut?
Schön: Straubinger und Schweizer im Schnee und im Bierzelt. Foto: privat
Der Spengler Cup wird weltweit in 40 Länder übertragen. 20 Millionen pro Jahr sehen ihn. Das Finale verfolgen zwei bis drei Millionen Zuschauer. Aber noch nie in 101 Jahren Spengler Cup waren bis zu 1 500 Fans eines Gästeteams da. Darauf war der Cup nicht vorbereitet. Die Tigers-Fanbeauftragten haben deshalb gleich nach dem ersten Spiel um Änderungen gebeten, der Gastgeber hat sofort reagiert und geändert, was kurzfristig möglich war. Was bringt es da also, wenn eine Zeitung aus der Stadt des Gastes dem Gastgeber hinterher noch einmal lang und breit und in aller Öffentlichkeit auf 250 Zeilen erklärt, was er alles falsch gemacht hat?
Was bringt diese Kritik?
Und wie der Zufall es will: Hier passt ganz prima ein Zitat von Tagblatt-Verleger Prof. Dr. Martin Balle in der Silvester-Ausgabe zur Aufgabe einer Zeitung: „Die Autoren des gedruckten Wortes fragen sich auch, welche Folgen wird das haben, was ich schreibe? Verändert es die Welt zum Guten oder führt mein Text zu Hass und Aggression?“
In diesem Fall hat sich der Ton zwischen Schweizer und Straubinger Fans zum Aggressiven verändert. Das Verhältnis von Tigers-Führung und Ultra-Szene klingt jetzt auch eher schlechter. Hat also dieser Tagblatt- Text damit zum Guten geführt? Was würden Sie sagen?
Balles berechtigte Frage: Wohin führt ein Text?
Im Grunde ist das Tagblatt ja immer positiv. Würde am Rathaus noch weitere acht Jahre gebaut, würde das Tagblatt erklären können, warum das nicht anders sein kann. Und bevor es berichtet, dass und warum nach Straubing kein Kreuzfahrtschiff mehr kommt, berichtet es lieber gar nicht. Vielleicht wäre ein Nichtbericht hier auch besser gewesen.
Falls Straubing trotzdem noch einmal zum Spengler Cup eingeladen wird, werden die Schweizer auf viele Gästefans vorbereitet sein. Schweizer können selber analysieren und verbessern, und sicher besser als Deutsche, bei denen praktisch kein einziger Zug mehr nach Plan fährt. Hopp Schwyz!